Auskunftspflicht der
Olympiapark München GmbH
Landgericht München I, 9 S 8016/06, Urteil vom 11. 10. 2006
Vorinstanz: Amtsgericht München 161 C 30634/05
Tatbestand :
Der Kläger ist Journalist. Er begehrt von der Beklagten Auskunft in Form des im Klageantrag enthaltenen Fragenkataloges. Die Beklagte hat zu diesen Fragen Stellung genommen und lehnt eine über diese Stellungnahme hinausgehende Beantwortung ab.
Der Kläger meint, er habe einen Anspruch auf vollständige Beantwortung seiner Frage aus Art. 4 Abs. l Bayer. Pressegesetz.
- Er sei ausgewiesener Mitarbeiter einer Zeitung und daher aktivlegitimiert.
- Die Beklagte sei, obschon als privatrechtliche GmbH organisiert, Behörde im Sinne des Bayerischen Presserechts, da ihre Tätigkeit zum einen in der Erfüllung öffentlicher Aufgaben bestehe und zum zweiten durch öffentliche Mittel finanziert sei, jedenfalls jedoch Auswirkungen auf öffentliche Haushalte - namentlich die in der Landeshauptstadt München - habe.
- Der Beklagten stehe auch kein Auskunftsverweigerungsrecht aufgrund bestehender Verschwiegenheitspflichten zu.
- Schließlich bestehe für die auf Seiten der Beklagten verantwortlich Handelnden auch nicht die Gefahr einer strafrechtlichen Verfolgung nach § 85 GmbH, wenn sie lediglich presserechtlich bestehende Auskunftsansprüche durch Erteilung dieser Auskünfte erfüllten.
Der Kläger beantragte daher erstinstanzlich:
Die beklagte Partei wird verurteilt, der Klagepartei schriftlich folgende Fragen zu beantworten:
- Wie haben sich tatsächlich die Umsatzzahlen bei den neuen Kiosken im Olympiastadion in den vergangenen Jahren seit ihrer Errichtung im Vergleich zu den alten Kiosken entwickelt?
- Ist es richtig, dass die Stadtwerke München in • den Sponsorenpool der beklagten Partei einbezahlen? Seit wann und in welchem Umfang (Geldbeträge und geldwerte Vorteile) sponsern die Stadtwerke München die beklagte Partei? Trifft es zu, dass 30 % dieser Mittel an die S + S Marketingberatung GmbH gehen? Wenn nein, wie hoch ist der Prozentsatz, der an die S + K Marketingberatung GmbH geht?
- Wie hoch sind die jährlichen Gesamteinnahmen im Sponsorenpool, wie werden diese Gelder verwendet?
- Warum werden die Sponsorengelder von den Sponsoren auf das Konto der S + K Marketingberatung GmbH und nicht direkt an die beklagte Partei überwiesen? Wie geht dieser Geldfluss weiter, verwaltet die S +, K Marketingberatung GmbH diese Gelder selbst? Wofür sind diese Mittel in den vergangenen drei Jahren konkret eingesetzt worden?
- Wurden Gelder oder geldwerte Mittel aus diesem Sponsorenpool für die Skipiste und die Winterwelt sowie die Weinwelt verwendet? Wenn ja, in welcher Höhe, wie hoch war dieser Anteil an den jeweiligen Gesamtkosten?
- Ist es richtig, dass zwischen der beklagten Partei und der S + K Marketingberatung GmbH mehrere Verträge bestehen, die- unter anderem der S + K Marketingberatung GmbH kostenlose Büroräume bei der beklagten Partei zusichern? Welche Verträge gibt es?
Die Beklagte beantragte Klageabweisung.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass dem Kläger der behauptete Auskunftsanspruch nicht zustehe.
- Die Beklagte meint, der Kläger sei bereits nicht aktivlegitimiert. Er sei weder Redakteur noch ein sonst genügend ausgewiesener Mitarbeiter einer Zeitung oder Zeitschrift; ein entsprechendes vom Kläger vorgelegtes Schreiben sei ersichtlich eine Gefälligkeit der Süddeutschen Zeitung.
- Weiter sei die Beklagte nicht passivlegitimiert. Sie sei eine rein privatrechtliche GmbH, die vorwiegend auch ausschließlich im privatrechtlichen Bereich tätig sei. Ein irgend gearteter Bezug zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben oder zur Verwendung öffentlicher Mittel bestehe nicht. Sie sei daher nicht als Behörde im Sinne des Art. 4 Bayer. Pressegesetz anzusehen.
- Aufgrund von Stillschweigensklauseln mit Geschäftspartnern dürfe die Beklagte dem Kläger die begehrten Auskünfte auch nicht erteilen.
- Anderenfalls würden sich die auf Seiten der Beklagten verantwortlich Handelnden nach § 85 GmbHG strafbar machen.
- Schließlich seien die vom Kläger gestellten Fragen bereits hinreichend beantwortet.
Mit Urteil vom 23.03.2006, dem Kläger zugestellt am 06.04.2006, der Beklagten am 07.04.20.06., hat das Erstgericht die Beklagte zur Erteilung der begehrten Auskünfte verurteilt.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung, mit der der erstinstanzliche Vortrag im wesentlichen aufrecht erhalten wird.
Die Beklagte beantragt daher,
das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.03.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Kläger verteidigt das angefochtene Urteil und wiederholt im wesentlichen seine erstinstanzlichen Ausführungen.
Es wird Bezug genommen auf das Sitzungsprotokoll vom 23.08.2006. Ferner wird Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie sämtliche sonstigen Aktenbestandteile.
Entscheidungsgründe :
I.
Die Berufung der Beklagten war zu verwerfen, da dem Kläger der begehrte Auskunftsanspruch zusteht und das angefochtene Urteil in formeller wie in materieller Hinsicht rechtlich zutreffend ist.
Der Kläger hat gegen die Beklagte Anspruch auf Beantwortung der von ihm gestellten Fragen aus Art. 4 Abs. l Bayer. Pressegesetz.
- Der Kläger ist aktivlegitimiert. Der Kläger hat ein Schreiben der Lokalredaktion der Süddeutschen Zeitung GmbH, datierend vom 06.12.2005 und unterzeichnet vom stellvertretenden Leiter der Lokalredaktion, vorgelegt. Darin heißt es, die Redaktion plane „eine Geschichte zum Thema Sportsponsoring und die Verwendung öffentliche Gelder bei der Olympiapark-GmbH. Dieses Schreiben berechtigt Sie, für die SZ in diesem Themenbereich zu recherchieren.
Dieses Schreiben, kann schlechterdings nicht anders verstanden werden, als dass der Kläger mit Wissen und Wollen der Süddeutschen Zeitung für einen Beitrag in dieser zum Thema Sportsponsoring und Verwendung öffentlicher Gelder bei der Olympiapark GmbH für die Süddeutsche Zeitung recherchieren soll. Dieses Schreiben weist ihn also insoweit als Mitarbeiter der Süddeutschen Zeitung aus, so dass seine Berechtigung im Sinne des Art. 4 Abs. IS. 2 Bayerische Pressegesetz nicht ernstlich in Zweifel gezogen werden kann. Dass das Schreiben erst nach Beginn des Rechtsstreits gefertigt wurde, ändert hieran nichts. Dies ist vielmehr um so nachvollziehbarer, als die Beklagte die Aktivlegitimation des Klägers im Laufe des Rechtsstreits bestritten hat und sich der Kläger hierdurch verständlicherweise veranlasst sah, eine Aktivlegitimation nachzuweisen. Wie dies anders als durch ein entsprechendes Schreiben- geschehen soll, erschließt sich der Kammer nicht.
- Die Beklagte ist auch passivlegitimiert, da sie als Behörde im Sinne des Art. 4 Abs. IS. l Bayer. Pressegesetz anzusehen ist. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass sie eine privatrechtliche organisierte GmbH ist. Dies steht ihrer Eigenschaft als Behörde jedoch nicht entgegen. Vielmehr ist seit Jahrzehnten anerkannt, dass sich ein Hoheitsträger seiner öffentlich-rechtlichen Bindungen nicht dadurch entziehen kann, dass er Teilbereiche seiner hoheitlichen Tätigkeiten in Gesellschaften des Privatrechts ausgliedert.
Dies gilt umso mehr, wenn der Hoheitsträger alleiniger Gesellschafter einer solchen privatrechtlichen Gesellschaft ist, wie dies vorliegend auf die Landeshauptstadt München in Bezug auf die Beklagte zutrifft. In ihrer als Anlage BK 6 vorgelegten Broschüre „Treffpunkt Olympiapark" und ihrer Internetseite, auf die die Broschüre Bezug nimmt, nennt die Beklagte als ihre Aufgaben nicht nur die Er- und Unterhaltung der Anlagen des Parks samt Gebäuden und Außenanlagen, sondern auch und vor allem das Betreiben des Geländes in dem Sinne, es mit Leben zu füllen. Die Serviceleistungen der Beklagten reichten von der Veranstaltungsorganisation über Presse und Öffentlichkeitsarbeit und Incentivs bis hin zum Catering, Ticketverkauf und zur Vermarktung. Die Beklagte stellt sich als Veranstaltungszentrum, Sport— und Freizeitpark sowie touristische Attraktion von internationaler Bedeutung dar, die bei zahlreichen sportlichen und kulturellen und kommerziellen Veranstaltungen Millionen von Gästen begrüßt hat.
Nach Art. 57 der Bayerischen Gemeindeordnung sollen die Gemeinden in den Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit öffentliche Einrichtungen schaffen, die nach den örtlichen Verhältnissen im Sinne des wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Wohles und der Förderung des Gemeinschaftslebens ihrer Einwohner erforderlich sind. Genannt werden insbesondere Einrichtung zur Aufrechterhaltung der Jugendertüchtigung, des Breitensports und der Kulturpflege.
Es kann kein ernsthafter Zweifel daran bestehen, dass die Landeshauptstadt München durch die Beklagte gerade diesen in der Gemeindeordnung normierten Auftrag erfüllt, die Beklagte also eine gemeindliche und damit hoheitliche Aufgabe wahrnimmt.
Aus diesem Grund ist auch die Entscheidung, des BGH vom 10.02.2005 (Az.: III ZR 294/04) auf die vorliegende Fallgestaltung übertragbar. Der BGH führt in der genannten Entscheidung aus, dass den Landespressegesetzen ein eigenständiger Behördenbegriff zu eigen sei, der auch juristische Personen wie eine GmbH erfasse, derer die öffentliche Hand sich zur Erfüllung öffentlicher Aufgaben bediene. Die Berichterstattung der Presse über Vorgänge im staatlichen Bereich sei nicht aus der staatlichen Eingriffverwaltung bestimmt; vielmehr nehme die Verwaltung eine Fülle sonstiger Aufgaben gerade im Bereich der Leistungsverwaltung wahr. Überall dort, wo 'zur Wahrnehmung staatlicher Ausgaben öffentliche Mittel eingesetzt würden; von denen konkrete Verwendung Erkenntnis zu erlangen ein berechtigtes öffentliches Interesse bestehe, wäre auch in Informationsbedürfnis der Presse und der Bevölkerung begründet. Auf dieses Bedürfnis habe es keinen Einfluss, ob sich die Exekutive zur Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben im Einzel fall einer privatrechtlichen Organisationsform bediene.
Etwas anderes ergibt sich im vorliegenden Fall auch nicht daraus, dass sich die vom Kläger gestellten Fragen auf Themenbereiche beziehen würden, die keinerlei hoheitlichen Bezug aufwiesen. Genau dies ist nämlich nicht der Fall. Die Fragen beziehen sich nämlich auf Umsatzzahlen, die Beteiligung der Stadtwerke München an einem Sponsorenpool, welcher die Beklagte mit Finanzmitteln ausstattet, sowie die Art der Verwendung dieser Mittel. Der Beklagten ist zwar zuzugeben, dass allein die Tatsache, dass ein Sponsorenpool aus privatwirtschaftlichen Unternehmen überhaupt besteht und der Beklagten hieraus Mittel zufließen, noch keinen unmittelbaren hoheitlichen Bezug hat. Schon aus der Berufungserwiderung ergibt sich jedoch, dass durchaus eine Rückkopplung zwischen den mit Hilfe des Sponsorenpools generierten Mitteln einerseits und der Erfüllung der öffentlichen Aufgabe andererseits stattfindet. So lässt die Beklagte ausdrücklich vortragen, dass das Sponsorenkonzept gerade den Steuerzahler entlaste, indem der Geschäftsbetrieb der Beklagten aus diesen Sponsorenmitteln finanziert und so der Einsatz von, Steuergeldern vermieden werde. Weiter wird vorgetragen, es würden Personalkosten vermieden, die ansonsten bei der Beklagten anfielen und den öffentlichen Haushalt belasten würden. Durch die privaten Sponsorengelder würde gerade ein Rückgriff auf Steuergelder vermieden und der öffentliche Haushalt entlastet. Dieser Vortrag der Beklagten - nicht etwa ein geschicktes Einflüstern des Klägers - zeigt, dass sehr wohl ein Konnex zwischen den Einnahmen aus dem Sponsorengeldern einerseits und dem öffentlichen Haushalt und damit der Verwendung von Steuergeldern andererseits besteht und eine entsprechende Rückkopplung stattfindet; zu diesem ihrem eigenen Vortrag setzt sich die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 20.09.2006 in Widerspruch, wenn sie nun jede Wechselwirkung in Abrede stellt. Insoweit widerspricht die Berufungsbegründung auch nicht dem Klägervortrag in der Berufungserwiderung, wonach die von der Beklagten erwirtschafteten Verluste ausweislich ihrer Bilanz jährlich durch die Landeshauptstadt München und damit die alleinige Gesellschafterin der Beklagten mit Steuermitteln ausgeglichen würden. Dass jedoch ein öffentliches Interesse an der Mittelverwendung von Hoheitsträgern besteht, dürfte unzweifelhaft sein. Es ist also gerade nicht zutreffend, dass durch die vom Kläger gestellten Fragen lediglich und ausschließlich privatrechtliche Sachverhalte ohne jedweden hoheitlichen Bezug betroffen wären, hinsichtlich derer der Beklagten unter Umständen Verschwiegenheitspflichten gegenüber ihren Geschäftspartnern auferliegen, Demzufolge ist die Beklagte in dem streitgegenständlich relevanten Umfang als Behörde im Sinne des Bayerischen Pressegesetzes anzusehen.
- Aus den vorgenannten Ausführungen ergibt sich, dass sich die Beklagte vorliegend auch nicht auf vertragliche Verschwiegenheitsverpflichtungen berufen kann. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils unter II.3) verwiesen.
- Vor diesem Hintergrund steht auch keine Strafbarkeit der auf Seiten der Beklagten verantwortlich handelnden Personen inmitten. Nach § 85 Abs. l GmbH liegt eine Strafbarkeit lediglich dann vor, wenn Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse unbefugt offenbart werden. Wer jedoch einen tatsächlich bestehenden presserechtlichen Anspruch erfüllt, handelt nicht unbefugt im Sinne der genannten Strafvorschrift. Dies hat insbesondere zu gelten, wenn der betreffenden Person die Offenbarung durch ein Gericht auferlegt worden ist.
- Schließlich kann auch nicht davon gesprochen werden, dass die Beklagte die ihr gestellten Fragen bereits hinreichend beantwortet hätte. Besonders deutlich geht dies bereits aus der ersten Frage und der hierzu erteilten Antwort hervor.
Die Frage lautete: „Wie haben sich tatsächlich die Umsatzzahlen bei den neuen Kiosken im Olympiastadion in den vergangenen Jahren entwickelt?". Die Antwort lautete: „Plangemäß und entsprechend den Erwartungen und Prognosen." Auch die Beklagte wird nicht ernsthaft glauben, mit dieser Antwort dem Auskunftsinteresse des Klägers Genüge getan zu haben. Dies wäre, wie wenn man auf die Frage nach der Uhrzeit die Antwort erhielt, es sei gerade die nach dem Lauf der Zeit zu erwartende Stunde.
Anmerkung 1:
Die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils zu den vertraglichen Verschwiegenheitsverpflichtungen, auf die das obige Urteil unter I.3) verweist, lauten:
- Dem Anspruch steht kein Recht, der Beklagten entgegen, die begehrten Auskünfte zu verweigern. Zunächst sind die mit den Sponsoren vereinbarten Stillschweigensklauseln nicht geeignet, den presserechtlichen Auskunftsanspruch entfallen zu lassen, Es handelt sich bei diesen vertraglichen Abreden nämlich nicht um Verschwiegenheitspflichten aufgrund eines Gesetzes im Sinne von Art- 4 Abs. 2 BayPrG. Diese Individualvereinbarungen können schon aufgrund der Normenhierarchie den Auskunftsanspruch, der unmittelbar Ausfluß der grundrechtlich geschützten Informations- und Pressefreiheit ist, nicht wirkungslos werden lassen. Die Frage der Schutzwürdigkeit der Vertragspartner, die u. U. auf die Verschwiegenheitsklausel vertraut haben, braucht hier nicht erörtert zu werden. Das Gericht ist der Auffassung, daß die Tatsache, daß es sich bei der Beklagten um eine GmbH handelt, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt und daher einer besonderen Kontrolle durch die Öffentlichkeit unterliegt, auch den jeweiligen Vertragspartnern bekannt war. Sie mußten daher mit einem besonderen und auch berechtigten Interesse an der Verwendung der öffentlichen Gelder rechnen.
Anmerkung 2:
Die Entscheidung des Landgerichts ist rechtskräftig geworden. Die Olympiapark GmbH hat die zugelassene Revision zwar zunächst beim BGH eingelegt, sie dann aber wieder zurückgenommen und die begehrten Auskünfte erteilt.