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Wie hoch ist das Kostenrisiko vor Gericht?

Von Gina Osthoff und Henning Engelage

Wenn eine Behörde partout nicht mit einer Information herausrücken möchte, bleibt dem recherchierenden Journalisten manchmal kein anderer Weg, als seinen Informationsanspruch vor Gericht durchzusetzen. Doch wer klagt, kann auch verlieren – und dann muss er die Prozesskosten tragen. Damit der Journalist am Ende nicht mit Kosten in vierstelliger Höhe dasteht, heißt es, schon vorher das finanzielle Risiko für den Fall der Fälle zu kalkulieren. Auf der sicheren Seite ist nur, wer mit Rechtsschutz in den Prozess geht.

Welche Arten von Kosten fallen an?

Gerichtskosten

Egal ob der Journalist den Prozess mit oder ohne anwaltliche Vertretung führt: Gerichtskosten entstehen in jedem Fall. Die Gerichtskosten setzen sich aus Gebühren und den angefallenen Auslagen zusammen: Die gerichtlichen Gebühren richten sich allein nach dem Streitwert.
Grundsätzlich hängt der Streitwert von der Bedeutung der Sache ab, zumeist von der Bedeutung für den Kläger. Bei Informationen als Streitsache ist die Ermittlung des Streitwertes – ähnlich wie bei Unterlassungsklagen – schwierig25 , weil ein materieller Schaden schwer einzuschätzen ist. Das Gericht legt dann einen fiktiven Streitwert fest. Hier gilt die Faustregel: Je mehr der Journalist wissen will, desto teurer wird es!
Orientieren kann sich der Journalist aber bereits vorab am Widerspruchsbescheid. Hat eine Behörde das Informationsgesuch eines Journalisten abgelehnt und dieser gegen diese Entscheidung schriftlich Widerspruch eingelegt, erlässt die Behörde einen Widerspruchsbescheid. Neben der Begründung für einen Ablehnung oder Zustimmung enthält der Bescheid zudem eine Entscheidung über die Höhe der Kosten (für den Widerspruchsbescheid selbst i.d.R. 200 bis 300 Euro) und wer im Falle einer gerichtlichen Auseinandersetzung die dadurch entstehenden Kosten trägt.
Textfeld: Beispielrechnung:    Rechtsweg: Verwaltungsgerichtsverfahren  Streitwert: 5000 Euro  Kläger: 1 Person  Gegner: 1 Person  à Gerichtskosten: rund 360 Euro (+ gerichtliche Auslagen je nach Aufwand!)  à Anwaltskosten (beider Seiten insgesamt): rund 3000 Euro (Mindestkosten ohne zusätzliche Auslagen)  à Prozesskosten: mind. 3360 Euro    Die Höhe der gerichtlichen Auslagen hängt vom finanziellen Aufwand ab, den das Gericht im Einzelfall hat. Die Auslagen können z.B. die Entschädigung von Sachverständigen, Zeugen oder Dolmetschern, Reisekosten, das Versenden von Akten oder die Fertigung von Abschriften sein.
Auf die Gerichts-kosten muss der Kläger vor Beginn des Prozesses einen Vorschuss bezahlen. Diesen erhält er aber zurück, wenn die Gegenseite am Ende des Verfahrens die Prozesskosten tragen muss.

Anwaltskosten

Lässt sich der Journalist vor und/oder während des Verfahrens durch einen Anwalt juristisch beraten und unterstützen, fallen zusätzlich Kosten für dessen Tätigkeit an. Die Anwaltskosten übersteigen in der Regel die Gerichtskosten um ein Vielfaches (s. Beispielrechnung). Da der Verlierer in der Regel die Kosten trägt, muss er auch den Anwalt der Gegenseite bezahlen. Aus der Summe der Gerichts- und Anwaltskosten ergeben sich die Prozesskosten.
Wichtig: Die Prozesskosten summieren sich von Instanz zu Instanz, jedes Verfahren wird einzeln abgerechnet, doch am Ende zahlt der Verlierer!
Nicht zahlen muss der Journalist, wenn er in der ersten Instanz zwar verloren, dann aber in der zweiten Instanz gewonnen hat. Das Urteil der höheren Instanz ist stets entscheidend. Kosten, die man vor dem letztinstanzlichen Urteil bereits hat zahlen müssen, werden zurückerstattet.

Welche Investitionen lohnen sich und wo kann man Kosten sparen?

Erfolgsaussichten prüfen lassen

Das Wichtigste, um Kosten zu sparen: Bevor man einen Prozess beginnt, sollte man seine Erfolgsaussichten gut prüfen lassen! Ein Anwalt sollte den Fall juristisch untersuchen und auch die Argumente der Gegenseite beleuchten. Als „Einzelkämpfer“ steht der Journalist häufig den Rechtsabteilungen großer Behörden gegenüber, die mit allen juristischen Wassern gewaschen sind. Der Anwalt kann sich viel intensiver und fachmännischer mit der Behörde auseinandersetzen und ähnliche Fälle finden, auf die man sich in der Klageschrift beziehen kann. Er kann dem Journalisten gegebenenfalls auch von einer aussichtlosen Klage abraten – und damit einen verlorenen Prozess und einiges an Kosten sparen.

Juristische Vorbereitung mit, - Verfahren ohne Anwalt?

Beim Verfassen der Klageschrift empfiehlt es sich in der Regel, einen Anwalt in Anspruch nehmen. Für einen juristischen Laien ist es im Allgemeinen schwierig und sehr zeitaufwändig, alle Feinheiten vor einem Prozess zu beachten.26 Auch wenn der Anwalt für eine Stunde rund 250 Euro in Rechnung stellen kann, wäre ein verlorener Prozess mit 2500 Euro rund Textfeld: Beispielrechnung:  (bei einem Streitwert von 5000 Euro)  Anwaltskosten bei allgemeiner Beratung (mehr als eine Stunde): rund 250 Euro (Mindestkosten ohne zusätzliche Auslagen)  Anwaltskosten bei Teilnahme am Gerichtsverfahren etc.: rund 1500 Eurozehnmal so teuer. Kommt es schließlich zum Prozess, kann der mutige und klamme Journalist in der ersten Instanz auch auf einen Anwalt verzichten und sich selbst vertreten, bei einer Klage unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz herrscht kein Anwaltszwang. Nur Mut: Kleinere Patzer und Unwissenheiten werden vom Verwaltungsgericht oft wohlwollend korrigiert, nach dem Motto „Herr X, so haben Sie das doch wohl nicht gemeint?“ bzw. „Herr Y, wollten Sie nicht eigentlich einen Antrag auf Soundso stellen?“.
Hier muss jeder jedoch ganz persönlich abwägen: Bei Unsicherheiten ist ein Anwalt im Gegensatz zum durch Unwissenheit verlorenen Prozess wohl das geringere Risiko. Mit einem Rechtsgelehrten auf seiner Seite sind die Gewinnchancen besonders in kniffeligen Angelegenheiten höher. Doch durch den Verzicht auf eine anwaltliche Vertretung lassen sich auch Kosten sparen, falls der Prozess verloren geht oder ein Vergleich angestrebt wird. Fühlt sich der Journalist also über die Rechtslage sehr gut informiert und hat die nötige Selbstsicherheit, kann er sich in der untersten Instanz auch selbst vertreten. Geht der Prozess dann allerdings in zweiter Instanz vor das Oberverwaltungsgericht, herrscht Anwaltszwang und der Journalist kommt um diese Kosten nicht mehr herum.

Wer trägt die Kosten?

Kosten bei einem Urteil, Vergleich oder der Einstellung des Verfahrens

In Verwaltungsgerichtsverfahren, die mit einem Urteil enden, trifft das Gericht eine Kostenentscheidung. Der Hauptgrundsatz zur Orientierung lautet: Der Verlierer trägt die gesamten Prozesskosten. Wenn die Parteien teilweise gewinnen und verlieren, teilt das Gericht die Kosten gemäß einer Quote auf. Diese Quote bestimmt auch die Erstattung der Anwaltskosten durch den Gegner. Endet ein Prozess mit einem Vergleich, werden die Kosten ausgehandelt. Häufig wird vereinbart, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, oder die Kosten werden wieder entsprechend einer Quote aufgeteilt.

Wichtig: Der klagende Journalist sollte niemals einfach die Klage zurücknehmen, wenn sich die Behörde im Verlauf des Verfahrens bereits erklärt hat, die Information herauszugeben. In einem solchen Fall würde der Journalist die Kosten des Verfahrens tragen müssen, obwohl er inhaltlich die Klage gewonnen hat! Stattdessen sollte er eine Erledigungserklärung abgeben. Dann gilt das Verfahren als beendet und das Gericht legt der Behörde die Kosten auf.

Anders hingegen, wenn der Richter dem Journalisten zu Beginn eines Verfahrens rät, seine Klage zurückzunehmen, weil das Gericht sie als aussichtslos beurteilt. In diesem Fall kann es  günstiger sein, dieser Empfehlung zu folgen. Der Journalist muss dann nur die bis dahin angefallenen Kosten übernehmen und spart die Kosten, die bis zu einem Urteil zu seinen Ungunsten noch angefallen wären.

Kostenübernahme durch Redaktionen bei festangestellten und freien Journalisten

Bei fest angestellten Redakteuren entscheidet die Redaktion/der Verlag/die Rundfunkanstalt, ob ein Prozess angestrengt werden soll. Wenn diese den Prozess führen, tragen sie im Falle des Verlierens auch die Kosten.
Verliert ein freier Journalist den Prozess, muss er selbst die Kosten des Verfahrens tragen. Es sei denn, er hat die Übernahme der Kosten mit seinem Auftraggeber vereinbart. Das muss aber vorab explizit in einem Honorar-Vertrag festgeschrieben worden sein. Der Auftraggeber würde den Prozess dann unter Recherchekosten verbuchen - entsprechend ist der finanzielle Rahmen (und die Bereitschaft) dafür bei vielen Medien nicht allzu groß.

Rechtsschutz durch die Journalistenverbände

Finanziell am besten abgesichert ist der Journalist, wenn eine Rechtsschutzversicherung schon vor dem Prozess eine Übernahme eventueller Kosten zusichert. Sowohl der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) als auch die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) bieten ihren Mitgliedern einen solchen Rechtsschutz kostenlos an. Allerdings muss dieser beim jeweiligen Landesverband beantragt und bewilligt werden. Zumeist wird dieser Service bei arbeits- oder urheberrechtlichen Problemen in Anspruch genommen, gilt aber bei allen berufsrelevanten Rechtsstreitigkeiten. So kann dieser auch für Prozesse um den Auskunftsanspruch beantragt werden. Voraussetzung für die Bewilligung ist eine Erfolgsaussicht der Klage.
Besonders für freie Journalisten ist dies eine gute Möglichkeit, Kosten durch die Klage von Anfang an auszuschließen und so auch einen Anwalt ohne den ständigen Blick auf den Kontostand beschäftigen zu können. Und sollten DJV oder dju den Rechtsschutz bewilligen, kann sich der Journalist freuen: Verliert er den Prozess, muss er trotzdem nicht bezahlen. Und wenn der DJV oder die dju gute Erfolgschancen sehen, ist der Gang vor Gericht in diesem Falle vielleicht der Weg, endlich an die lang geforderten Informationen zu kommen.

Staatliche Prozesskostenhilfe

Antrag, Bewilligung und Umfang von Prozesskostenhilfe

Prozesskostenhilfe bekommt nur, wer glaubhaft (schriftlich) darlegt, dass er die Kosten eines Verfahrens wegen seines zu geringen Einkommens nicht alleine (oder zumindest nicht auf einen Schlag in voller Höhe) tragen könnte. Ein entsprechender Antrag muss beim zuständigen Gericht gestellt werden. Der Journalist muss sich allerdings darauf einstellen, dass das Gericht seine Angaben überprüft. Wichtig: Die Prozesskostenhilfe muss für jede Instanz neu beantragt und bewilligt werden!
Um Prozesskostenhilfe zu bekommen, muss das Verfahren für die Partei, die Prozesskostenhilfe beantragt, außerdem Aussicht auf Erfolg haben. Auch die Erfolgsaussichten des Journalisten werden vom Gericht überprüft. Wird der Antrag bewilligt, trägt der Staat die Gerichtskosten. Ist bei einem Prozess in zweiter Instanz (s.o.) ein Anwalt notwendig, kann das Gericht im Rahmen der Prozesskostenhilfe einen Anwalt zur Verfügung stellen. Grundsätzlich wird der Anwalt, den der Journalist wünscht, zugewiesen. Die Staatskasse übernimmt dann auch die Anwaltkosten. Allerdings bezieht sich die Prozesskostenhilfe nur auf die Gerichtskosten und Kosten für den eigenen Anwalt. Verliert der Journalist den Prozess, muss er der gegnerischen Partei deren Kosten aus eigener Tasche bezahlen!
Textfeld: Beispielrechnung Prozesskostenhilfe:    Ein freier Journalist lebt zusammen mit seiner Frau und seinen beiden Kindern und hat ein Nettoeinkommen von 1980 €.  Dem Nettoeinkommen wird gegengerechnet:  380 € Grundfreibetrag x 2 	=   760€  	(Journalist und Ehefrau)  266 € Kinderfreibetrag x 2 	=   532€  	(für jede unterhaltsberechtigte Person)  173 € Erwerbstätigenfreibetrag	=   173€  	hier: der Journalist ist Alleinverdiener  Wohnkosten inkl. Heizkosten, hier 	=   500€  	(individuell)	______  		= 1965€  Da dem Journalisten damit nur ein sog. einzusetzendes Einkommen von 15 € verbleibt, hat er Anspruch auf ratenfreie Prozesskostenhilfe. Würden ihm mehr als 15 € bleiben, müsste er die Prozesskosten in Raten zurückzahlen. Die Höhe der Raten ist gesetzlich festgelegt und orientiert sich an der Höhe des Einkommens.  Hat der Journalist ein geringes Einkommen, muss die Prozess-kostenhilfe nicht zurückgezahlt werden. Das gilt zum Beispiel für einen Journalisten, der nach Abzug seiner Warm-miete monatlich nicht mehr als 568 Euro übrig behält. Entscheidet das Gericht anhand der Bedürftigkeitsprüfung aber, dass der Journalist dazu in der Lage ist, muss er die Kosten innerhalb von maximal vier Jahren in Raten zurückerstatten. Gerichtsprozesse gehören zum Berufsrisiko, sprengen aber häufig das Budget eines Freien. In der Regel hat er daher gute Chancen auf (anteilige oder komplette) Übernahme der Kosten.

25 Es sei denn, es bestehen konkrete Recherchekostenforderungen wie etwa bei dem Verfahren Landkreis Vechta gegen Greenpeace bezüglich der Auskunft über Tiermastanlagen

26 Wie beispielsweise im Verfahren eines Journalisten gegen das Bundesministerium für Generationen, Familie, Frauen und Integration wegen Informationen über die Finanzierung der Partei-Jugendverbände: Der Journalist musste die Prozesskosten nach Einstellung des Verfahrens tragen, weil er einen falschen Antrag gestellt hatte!