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Teil C:
Beispiele für die erfolgreiche Durchsetzung
von Informationsansprüchen

Mehr Wissen für Alle

Greenpeace konnte dank des Umweltinformationsgesetzes eine Studie des Konzerns Monsanto einsehen. Ein Fall, bei dem der Antragsteller nicht gegen eine Behörde kämpfen musste – sondern gemeinsam mit ihr gegen den Lebensmittel-Riesen.

Von Björn Boch

Der lange Weg zur Studie begann im Mai 2004. Greenpeace stellte einen Antrag per Fax an das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL): auf Einsicht in eine Studie des Lebensmittelkonzerns Monsanto. Grundlage war das damalige Umweltinformationsgesetz (UIG), die Umsetzung einer Richtlinie der Europäischen Union. Es sollte „den Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, bei der Verwaltung vorhandene Umweltinformationen auf einfachem Weg zu erhalten.“
Der Konzern Monsanto wollte eine neue Sorte Genmais, Mon863, zulassen und hatte sie zuvor an Ratten getestet. Diese Studie musste den Behörden der Mitgliedsstaaten, in denen der Mais zugelassen werden sollte, vertraulich vorgelegt werden. Über das Ergebnis hatten sich Experten und Behörden verschiedener Länder heftig gestritten. Greenpeace wollte sich selbst ein Bild machen.
Für eine fundierte Beurteilung brauchte die Organisation das Original. Das BVL leitete den Antrag auf Akteneinsicht an Monsanto weiter. Dort zeigte man sich wenig begeistert. „Die Studie ist ein Betriebsgeheimnis, aus dem potentielle Wettbewerber einen Vorteil ziehen könnten“, ließ man das Ministerium wissen. Diese Ausnahme sei im UIG und im Gentechnikgesetz (GenTG) geregelt. Man schicke stattdessen lieber eine wissenschaftliche Zusammenfassung, die man selbst erarbeitet habe. Greenpeace erreichte die Zusammenfassung im August. Das sollte dann wohl reichen, meinte Monsanto.

BVL: Studie ist kein Geschäftsgeheimnis

Reicht nicht, sagte Greenpeace. Im Februar 2005 wandte sich die Organisation erneut an das BVL – mit der Bitte, die Akte komplett freizugeben. Wenige Tage zuvor war ein neues UIG in Kraft getreten. Die Europäische Union hatte das bisherige deutsche UIG als zu restriktiv beurteilt und den Bundestag zu Änderungen aufgefordert. Kosten und Aufwand, eine Information zu bekommen, waren durch das  neue Gesetz erheblich gesunken.
Wichtig waren Greenpeace vor allem die genauen Fallzahlen des Experimentes. Die hatte Monsanto nicht mitgeliefert. Die Begründung des erneuten Antrages: Zum einen sei die Studie ohnehin kein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis. Zum anderen dürften Daten, die der Risikoforschung dienen, nicht zurückgehalten werden, Geheimnis hin oder her. Sowohl nach dem UIG, als auch nach dem GenTG. Das Interesse der Öffentlichkeit sei hier höher zu bewerten. Das BVL gab dem Antrag statt – es folgte dem ersten Teil der Argumentation. In einem Schreiben an Monsanto wurde erklärt, die Studie sei keine „Confidential Business Information“. Es fehle, trotz Nachfrage, an einer schlüssigen Begründung. Die Behörde sei daher verpflichtet, die Studie an Greenpeace weiterzuleiten. Monsantos Beschwerde gegen diese Entscheidung blieb ohne Erfolg.
So leicht wollte sich der Konzern nicht geschlagen geben. Beim Verwaltungsgericht Köln kam es zum Eilverfahren, um die Studie weiter geheim halten zu können. Beklagte: Das BVL, beigeladen: Greenpeace. Gemeinsam gegen den Konzern. Weder das Verwaltungsgericht noch das Oberverwaltungsgericht in Münster gaben Monsanto Recht. Es handele sich bei der Studie um eine „Beurteilung der vorhersehbaren Wirkungen, insbesondere schädlicher Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt“. Deshalb habe das Gericht gar nicht zu beurteilen, ob es sich um ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis handele, weil nach dem GenTG solche Studien nicht geschützt werden könnten. Das allgemeine Interesse der Öffentlichkeit überwiege. Der Fall wurde von beiden Gerichten auf Grundlage des GenTGs beurteilt, da dies „das speziellere Gesetz“ sei.

Der Rechtsstreit zog sich bis Ende 2006

Damit war der Weg für Greenpeace frei – die Studie wurde am 22. Mai 2005  auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Greenpeace erreichte zumindest, dass es zunächst weder im Ständigen Ausschuss noch im Ministerrat der EU eine qualifizierte Mehrheit für die Zulassung von Mon863 gab. Im August 2005 genehmigte die EU-Kommission letztlich aber doch den Genmais als Futtermittel. Und im Januar 2006 auch als Lebensmittel. Für zunächst jeweils zehn Jahre, unter ständiger Beobachtung.
Obwohl die Studie veröffentlicht war, ging der Streit um die Rechtmäßigkeit weiter. Beklagter im Hauptverfahren war erneut das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das dem Antrag auf Akteneinsicht stattgegeben hatte. Das Kölner Gericht wies die Klage Monsantos am 7. Dezember 2006 zurück.52 Der Schutz der Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse im Bereich des Gentechnikrechts gelte generell nur eingeschränkt. Und auch nach eingehender Prüfung seien die Erkenntnisse über schädliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt vom Geheimnisschutz in diesem Fall ausgenommen. Monsanto verzichtete auf einen erneuten Gang zum Oberverwaltungsgericht nach Münster.
Greenpeace und das BVL hatten die richtigen Entscheidungen getroffen. Greenpeace, weil es den durchaus zehrenden Kampf gegen einen Großkonzern überhaupt in Angriff genommen hatte. Und das BVL, weil es durch eine richtige Entscheidung den Verbraucherschutz vor Konzern-Interessen stellte. Gewonnen hat die Öffentlichkeit, die jetzt mehr weiß. Auch wenn der Mais zugelassen wurde.

(Quellen, siehe Fußnote)53

52 Das Urteil des VG Köln ist unten unter D abgedruckt.

53 „Spuren in den Adern“, Süddeutsche Zeitung vom 27.4.2004; „Fragwürdig, fehlerhaft, ungenügend“, taz vom 23.6.2005; „Auch wenn’s weh tut“, Süddeutsche Zeitung vom 23.6.2005;
www.transgen.de/pdf/zulassung/Mais/MON863_entscheidung_futtermittel.pdf,
www.transgen.de/pdf/zulassung/Mais/MON863_entscheidung_lebensmittel.pdf; www.greenpeace.de/fileadmin/gpd/user_upload/themen/gentechnik/greenpeace_chronologieMON863.pdf;
Urteil des Oberverwaltungsgerichts Münster, AZ: 8 B 940/05;
Weiterführend: www.monsantowatch.org, www.monsantosucks.com.