Widerstände und Barrieren: mit ihnen haben Journalisten fast täglich zu kämpfen.
Mit Einführung von Informationsfreiheitsgesetzen sind die Rechte bei der Informationsbeschaffung in Deutschland zwar verbessert worden. Davon sollen nicht nur Journalisten, sondern alle Bürger profitieren. Doch der Nutzen für Journalisten der IFG ist bislang umstritten.
Ohnehin kennen viele Behörden und Institutionen das IFG oder auch den Inhalt der Landespressegesetze nicht oder nicht ausreichend. Aber auch Journalisten sind sich über ihre Rechte oft nicht ausreichend im Klaren. Zudem kann ein Journalist bei der Durchsetzung des journalistischen Auskunftsanspruches oder bei der Berufung auf andere Anspruchsgrundlagen formale und inhaltliche Fehler machen.
Im Folgenden soll skizziert werden, welche Möglichkeiten der Journalist hat, seinen Auskunftsanspruch durchzusetzen. Allerdings geben die Beispiele lediglich einen groben Überblick über die Anwendung von Rechtsgrundlagen und mögliche Hürden. Letztendlich ist jeder Fall anders und bei komplexen Sachverhalten kann nicht darauf verzichtet werden, Experten zu Rate zu ziehen. Doch zumindest einige Stolpersteine können schon zu Beginn einer Recherche umgangen werden.
Im Text finden sich daher auch ein paar grundlegende Tipps zur Recherche und zur Kommunikation mit Informationsgebern. Die Systematik des Vorgehens wird ferner durch Auszüge aus Schriftwechseln beispielhaft illustriert.
Zu Beginn der Recherche sollte der Journalist so präzise wie möglich definieren, was er überhaupt wissen möchte. Klar formulierte Fragen erleichtern es dem Befragten, auch präzise zu antworten. Eventuelle Rückfragen kosten Zeit. Wer sich selbst kompetent präsentiert und Sachkenntnis vorweisen kann, wird vom Gesprächspartner in der Regel leichter akzeptiert.
Nur ein Beispiel: Pressesprecher von Gerichten sind häufig genervt von der Unkenntnis der Journalisten in Rechts- und Verfahrensfragen. Obwohl es ihr Job ist, täglich der Presse Rede und Antwort zu stehen, kostet es sie unnötig Zeit, wenn sie immer wieder unerfahrenen Pressemitarbeitern die Grundlagen des Gerichtsverfahrens erläutern müssen.
Entscheidend für das eigene Verhalten ist auch, ob man den Gesprächspartner als „friendly source“, also als „freundliche Quelle“, oder als „unfriendly source“ klassifiziert.17 Bei kooperativen Gesprächspartnern empfiehlt es sich eher, mit Sachkenntnis zu punkten und damit zu forcieren, ernst genommen zu werden. Dennoch sollte man aus taktischen Gründen nie sein ganzes Wissen preisgeben. Bei „unfriendly sources“ empfiehlt sich eher Zurückhaltung – man könnte es auch Tiefstapeln nennen.
Der Journalist sollte sich vorab so gründlich wie möglich informieren und erst dann auf andere Gesprächspartner zugehen. Nur so kann das bereits vorhandene Wissen als Vorteil genutzt werden. Selbst eine einfache Gesprächssituation wie das Telefonat mit einer Behörde kann so besser eingeordnet werden. Auf mutmaßlich falsche Auskünfte und Ausreden der „unfriendly source“ kann gezielter mit Nachfragen reagiert werden.
Wichtig ist es, den korrekten Ansprechpartner zu wählen. Dabei ist es legitim, strategisch vorzugehen. Beispiel Behörde: gegenüber ihr hat der Journalist einen Auskunftsanspruch. Dieser Anspruch erstreckt sich allerdings nicht auf den einzelnen Beamten oder Sachbearbeiter, sondern lediglich auf den Behördenleiter bzw. den Pressesprecher. Trotzdem kann man natürlich versuchen, in einer Sache zunächst den zuständigen Sachbearbeiter direkt zu erreichen. Er wird den Fall besser kennen als ein Behördensprecher und ist somit die bessere Informationsquelle. Verweist der Sachbearbeiter jedoch darauf, dass er dazu keine Auskünfte geben kann, muss man sich mit dem Behörden- bzw. Pressesprecher zufrieden geben.
Telefonische Anfragen sind zeitsparend und trotz Internet immer noch der wichtigste und am häufigsten genutzte Recherche-Wege. Ein (ausführlicheres) Telefoninterview macht allerdings nur bei Informanten Sinn, die sich kooperativ verhalten und der Recherche nicht ablehnend gegenüberstehen.18
Ein wichtiger Grundsatz ist es, freundlich und offen zu agieren und Auskunft darüber zu geben, an was und für wen man arbeitet. Um sich auf den journalistischen Auskunftsanspruch berufen zu können, muss man sich als Mitarbeiter der Presse legitimieren. Dazu gehört es, den Arbeitgeber zu nennen, für den man recherchiert. Die presserechtliche Legitimation des eigenen Anspruchs ist häufig Grundvoraussetzung, um überhaupt Informationen zu bekommen. Privatpersonen erfahren von einer Polizeidienststelle keine Details eines Verkehrsunfalls, der Mitarbeiter der Nachrichtenredaktion des lokalen Radiosenders hingegen schon.
Eine weitere Erkenntnis aus der Praxis: Je größer und einflussreicher der Auftraggeber, desto ernster wird die Anfrage genommen. Im Umkehrschluss heißt das allerdings nicht immer, dass man als Vertreter eines großen Senders oder einer großen Zeitung schneller und einfacher an Informationen kommt. In manchen Fällen kann es taktisch klüger sein, sich zuerst als Bürger auf das IFG zu berufen und so „verdeckt“ einen ersten Einblick zu erhalten. In der Regel gilt aber: Offenheit öffnet Türen, eine große angesehene Zeitung oder ein großer Sender als Auftraggeber im Rücken auch. Gibt es den nicht, gilt es trotzdem, sich so gut wie möglich zu verkaufen. Souveränität und professionelles Auftreten sind als Faktoren genauso entscheidend wie Offenheit und Sachkenntnis.
Viele Stellen verweisen darauf, Anfragen schriftlich einzureichen.
Für eventuell nachfolgende Rechtsstreitigkeiten ist dies nützlich, da so die Kommunikation und zum Teil auch der Rechercheweg dokumentiert ist. Andererseits ist es zeitlich aufwändiger, anstatt eines einfachen Telefonates einen Brief zu schreiben. In Zeiten der elektronischen Post ist der Zeitverlust zwar nicht mehr ganz so erheblich. Trotzdem verzögern sich Recherchen auf dem Postweg häufig unnötig. Sei es, weil die angeschriebene Stelle überlastet ist, die Zuständigkeit nicht geklärt ist oder die Antwort vorsätzlich verzögert wird.
Verzögerungen lassen sich dadurch vermeiden, dass man dem Befragten einen Termin zu setzen, bis wann man eine Antwort erwartet. Hierbei kann der Verweis auf den Veröffentlichungstermin des Artikels oder des Beitrags helfen.
In jedem Fall empfiehlt sich bei der Kommunikation per mail, die mails abzuspeichern. Bei besonders wichtigen Recherchen sollten sie zusätzlich noch ausgedruckt und abgeheftet werden.
Durch den frühzeitigen Verweis auf seinen Rechtsanspruch kann sich der Journalist weiteren unnützen Schrift- bzw. Mailverkehr eventuell sparen und seine Recherche dadurch beschleunigen. Auch hier gilt es, sich zu legitimieren und dabei durchaus auch mit dem starken Image des Auftraggebers zu arbeiten: ein offizieller Briefkopf wirkt ganz anders als eine schnell dahin geschriebene e-mail.
Die Möglichkeit, mit einem offiziellen Briefkopf zu arbeiten, haben freie Mitarbeiter jedoch nicht immer. Dann sollte mit dem Arbeitgeber zumindest abgesprochen werden, ob man sich bei Recherchen auf ihn als Auftraggeber berufen darf.
Fall-Beispiel 1: Greenpeace vs. Landkreis Vechta
Oft ist es sinnvoll, sich auf die einschlägigen Rechtsgrundlagen (LPG, IFG und UIG) zu berufen. Vor ein paar Jahren recherchierte Greenpeace zu geplanten Mastanlagen für Tiere in der Landwirtschaft. Greenpeace wollte wissen, wie viele Anträge auf Neuerrichtung von Mastanlagen dem Landkreis Vechta vorliegen.
Das Schreiben von Greenpeace19 zeigt sehr anschaulich, wie die Organisation durch präzise Fragestellung ihr Anliegen präsentiert und ihren Informationsanspruch auf das UIG stützt. Greenpeace legt dem Kreis seine Zuständigkeit als Behörde dar und begründet seinen Informationsanspruch auf Grundlage des UIG damit, dass es sich bei den gestellten Fragen um Umweltinformationen handelt. Außerdem versucht Greenpeace per Einwandvorwegnahme, seinen Informationsanspruch weiter zu untermauern.
Darüber hinaus fordert Greenpeace eine bestimmte Form bei der Übersendung der Informationen und stützt diesen Wunsch ebenfalls auf die Regelungen des UIG.
Auch die möglichen Kosten thematisiert Greenpeace in dem Schreiben und bittet um Rücksprache, falls diese Kosten den Betrag von 50 DM übersteigen.
Nicht immer müssen Streitigkeiten vor Gericht enden. Manchmal helfen auch Dritte, Konflikte zwischen Journalisten und potentiellen Informationsgebern zu lösen.
Beispiel 2: Stern-Journalist vs. Verteidigungsministerium
Der Journalist Hans-Martin-Tillack recherchierte im Herbst 2006 zum Thema Sponsoring bei den Bundesministerien.
Konkret lautete sein Anliegen: „Ich bitte um Nennung der Namen aller Sponsoren der Bundesministerien und nachgeordneten Behörden mit Angabe der gesponsorten Behörde, der Art und dem Wert der jeweiligen Leistung und dem Verwendungsweck.“
In einem ersten Schritt wandte sich Tillack pauschal an das Bundesinnenministerium. Dies jedoch lehnte die Erstellung einer entsprechenden Liste ab und verwies auf die Zuständigkeit der einzelnen Ministerien. Daraufhin beriet sich der Journalist mit einem IFG-kundigen Juristen. Dann stellte er eine formale Anfrage an 14 einzelne Ministerien und das Bundeskanzleramt. In seiner formalen Anfrage berief er sich auf das IFG und vergaß auch nicht, potentielle juristische Einwände vorwegzunehmen. Grundlage dafür sei die „Mustervereinbarung Sponsoring“, die die Ministerien ohnehin verpflichte, einen „Sponsoringbericht“ zu veröffentlichen. Tillack verlangte daher die Akteneinsicht vor Ort bei den Ministerien.
Doch das Verteidigungsministerium zeigte sich uneinsichtig und wollte die Informationen nicht ohne vorherige Rücksprache mit den Sponsoren herausgeben. Der Journalist veranlasste daraufhin eine Beschwerde beim Bundesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit – mit Erfolg.
Durch die Intervention der Mitarbeiter des Datenschutzbeauftragten erhielt er schließlich die gewünschten Informationen. An diesem Beispiel zeigt sich, wie wichtig Hartnäckigkeit bei der Recherche sein kann und dass Umwege in Kauf genommen werden müssen.
„Die Drohung mit der Keule, die Information auf dem Rechtsweg zu erzwingen, sollte das letzte Mittel bleiben. Mit nachhaltiger Freundlichkeit und Auskunft über die eigene Arbeit öffnen sich viele Türen ohne großen Aufwand.“20
Dennoch: Nicht alle Türen öffnen sich allein durch Freundlichkeit oder den Verweis auf Anspruchsgrundlagen. Manchmal bleibt nur der Weg der Klage. Dieser ist allerdings mit Vorsicht zu beschreiten. Er ist zeitaufwändig und mit dem Risiko verbunden, die nicht unerheblichen Verfahrenskosten tragen zu müssen.
► | Über die möglichen Kosten eines Rechtsstreits informiert der Beitrag von Gina Osthoff und Henning Engelage. |
Beispiel 3: Freier Journalist vs. Staatliche Stellen
Der Journalist Sebastian Heiser recherchierte im Jahr 2005 zum Thema „Verteilung von Fördergeldern bei politischen Jugendverbänden.“ Er wollte wissen, wie viel Geld die politischen Jugendorganisationen in NRW aus staatlichen Mitteln erhalten, wie das Geld verteilt wird und für was es ausgegeben wird.
Allein die Klärung dieser Fragen kosteten ihn 10 Monate Zeit. Nachdem die Pressestellen der staatlichen Behörden zunächst ablehnten, ihm Informationen zu geben, stellte er in zwei Fällen einen formalen Antrag und berief sich auf das Informationsfreiheitsgesetz NRW beziehungsweise das Pressegesetz NRW. In einem dritten Fall führte jedoch erst die Klage vor dem Verwaltungsgericht zum Erfolg.
► | Einen ausführlichen Bericht über seine Erfahrungen gibt Sebastian Heiser selbst. |
Die Durchsetzung von Informationsansprüchen -chronologisch
Recherche
Fragestellung, Zuständigkeit
Telefonische Anfrage
Ansprechpartner, Legitimation
Schriftliche Anfrage
evtl. Berufung auf LPG, IFG, UIG, Einwandvorwegnahme
Einspruch
z.B. Bundesbeauftragter f. Datenschutz
Rechtsweg: Verwaltungsgericht
Zeit- und Kostenfaktor
Berufung/Beschwerde: Oberverwaltungsgericht
Grundsatzfrage?
17 Vgl. LUDWIG, Johannes: Investigativer Journalismus. Konstanz 2007, S. 97 f.
18 Vgl. Baumert, Andreas: Interviews in der Recherche. Redaktionelle Gespräche zur Informationsbeschaffung. Wiesbaden 2004, S. 113
19 Das Schreiben ist unten unter D. abgedruckt.
20 Vgl. Baumert, Andreas, a.a.O., S.150
21 BAUMERT, Andreas, a.a.O., S.9